11.4) Der neue Posten

Tja, nun rate mal …
Das Leben ging weiter – immer noch.


Irgendwann wurde der Posten für die Rechnungsbearbeitung von jemand Anderem besetzt. Ich schätze, heute macht das Herr Computer hervorragend.

Mann war ich froh und zog mit meinen Sachen in das Büro zu meinem Kollegen MD…. Der Einzige, mit dem ich mich verstand. Das war cool.
Leider war das ein Duchgangsbüro, weshalb ständig jemand kam.
Nicht so toll, mit meiner Ruhe war es vorbei.
Vielleicht war der Job ja ganz gut, dachte ich.

Das erfuhr ich nämlich erst mal nicht, was ich in der ersten Woche noch ganz witzig fand. In der zweiten wunderte ich mich. Man sagte mir, dass man sich erst noch besprechen musste. Und so ging es weiter.

Mein neuer Chef, Herr SN…, redete sich immer wieder raus.
8 Stunden rumsitzen und nichts tun ist wirklich hart. Das waren 24 Stunden in der Woche.
Natürlich konnte ich nicht einfach mit dem Gameboy spielen oder Bücher lesen. Also ging ich nochmals zu Herrn SN… und bat ihn um Arbeit.

ER: »Sie arbeiten nur 3 Tage in der Woche. Wir haben keine Beschäftigung für Sie.«
ICH: »Das ist etwas mehr als eine Halbtagsstelle. Sie haben auch Arbeit für Halbtagskräfte.«
Darauf ER: »Lassen sie sich eine Spenderniere geben und sind 5 Tage da. Dann bekommen Sie wieder Arbeit.«
»Klar«, meinte ich spontan. »Morgen bestelle ich mir eine beim Quelle-Versandhaus.«

Schnell verzog ich mich Richtung Toilette, wo ich jämmerlich weinte.
Vor Entsetzen, vor Wut, vor Traurigkeit. Keine Ahnung, wahrscheinlich wegen allem.
Wieder war es diese verflixte Krankheit.
Die Wartezeit für eine Spenderniere betrug auch damals etwa 7 Jahre. Da hatte ich noch mächtig viel Zeit, nichts zu tun.

Da kam eine junge Frau zu uns an die Dialyse. Ich weiß noch, dass sie sehr nett war und von ihrer Arbeit im Büro erzählte.
Wir kamen ins Gespräch und sie sprach von ihrem rücksichtsvollen Chef und dass sich nichts geändert hatte, obwohl sie nur 3 Tage arbeiten konnte.
Ich beglückwünschte sie zu diesem Chef und den Kollegen. Trotz Privatwirtschaft hatte sie den Jackpot gezogen. Dort ging es wohl humaner zu, als bei uns.
Einige Wochen später kam die junge Frau weinend zu mir. Man hatte ihr den schönen Schreibtisch genommen und in eine kleine Ecke gesetzt. Schließlich wäre sie ja nur 3 Tage da.
Das tat mir so leid. Ich hätte ihr so sehr gewünscht, dass es bei ihr anders läuft.
Besser!
Die junge Frau wechselte die Dialyse, deshalb weiß ich leider nicht, was aus ihr wurde.

Ich saß zwar an einem großen Schreibtisch, hatte aber weiterhin nichts zu tun. Zudem wurde ich angehalten, nicht zu zeigen, dass ich nichts zu tun hatte. Das würde kein gutes Bild auf die Dienststelle werfen.

Also saß ich an meinem Schreibtisch und tat so, als würde ich arbeiten. Obwohl ich natürlich ein Buch im offenen Ordner versteckte.
Fast sehnte ich mich zurück zu meiner Freundin, der Schreibmaschine.
In jedem Fall sehnte ich mich zurück zum technischen Dienst, wo arbeiten Spaß machte und anerkannt wurde.

Irgendwann dachte ich, dass unsere Ordner im Büro in einem wirklich erbarmungswürdigen Zustand waren.
Da ich ungewollt eine Menge Zeit hatte, entwarf ich am Computer neue Ordnerrücken und beklebte diese. Vorlagen gab es da natürlich noch nicht.
Farbig geordnete Themen unter Klarsichtfolie, damit das Ganze auch so lange wie möglich schön blieb.

Das hatte einige Zeit gedauert und auch mächtig viel Spaß gemacht. Die Aktenschränke in unserem Büro sahen wirklich gut aus.
Das fiel immer mehr Kollegen auf, die in unser Büro kamen, und lockte auch meinen Chef, Herrn SN… zu uns.

Ich musste ihn zu seinem Büro folgen, wo er mir seine Ordnerwand zeigte. Ein schlimmer Anblick. Zum Teil zerfetzte Aktenordner, die uralt sein mussten.
»Sie wollten eine Tätigkeit«, meinte er.
Und wenn ich damit fertig wäre, dann stände mir das gesamte Haus zur Verfügung. Jeder einzelne Ordner – eine Lebensaufgabe, das stand fest.

Und ich sank …
• von der Verwaltungsfachangestellten
• zur Schreibkraft und nun
• zur Ordnerbeschrifterin
WAS FÜR EINE KARRIERE!

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